Arno Stern

sein Leben, sein Werk und seine Philosophie

Lebensetappen

Arno Stern wurde 1924 in Kassel geboren. Nach der Machtergreifung Hitlers emigrierte er zusammen mit seinen Eltern nach Frankreich. Wie durch ein Wunder entkam er der Deportation. Später, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, flüchtete die Familie weiter in die Schweiz, wo sie endlich in Sicherheit war. Zusammen mit anderen Flüchtlingen lebte Arno Stern dort, bis zum Ende des Kriegs, in einem Internierungslager. Arno Stern nutzte seine wenige Freizeit auch in diesen Jahren zum Zeichnen. Nach Jahren der Internierung und Staatenlosigkeit kehrte Arno Stern mit seiner Familie nach Kriegsende nach Frankreich zurück und erlangte die französische Staatsbürgerschaft.

In einem Pariser Vorort war er in einem Heim für Kriegswaisen tätig und damit beauftragt, die Kinder zu beschäftigen. Arno Stern ließ sie malen und war sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, welch großes Projekt damit entstehen sollte, denn das war der Anfang und die Entstehung des Malortes. Anfang der fünfziger Jahre eröffnete Arno Stern sein erstes Atelier, die "Académie du Jeudi". Später siedelte er in einen anderen Pariser Stadtteil um. Dem neuen Ort gab er den Namen „Closlieu” (deutsch: Malort). In den sechziger Jahren unternahm Arno Stern Forschungsreisen in entlegene Gegenden der Welt, nach Peru, Afghanistan, Mexiko, Guatemala, Äthiopien, Nigeria und Neuguinea, in deren Ergebnis er seine Erkenntnisse aus der täglichen Praxis des Malortes zu einem Universalgefüge, der Formulation, erweitern konnte. 1987 gründete Arno Stern ein privates Institut, das sich mit der Entwicklung der Formulation beschäftigt, das Forschungsinstitut für Ausdruckssemiologie. Bis in die Gegenwart betreibt Arno Stern seinen Malort (Closlieu) in Paris, widmet sich seiner Forschungstätigkeit, bildet Menschen aus vielen Ländern zu Malort-Dienenden aus und unternimmt Vortragsreisen, auch ins Ausland.

Lebenswerk und Philosophie

Mit seiner "Academie du Jeudi" schuf Arno Stern 1949 einen geschützten Ort, in dem die Kinder ungehindert malen konnten. Anfangs bezeichnete und verstand er die Bilder der Kinder als Kinderkunst, distanzierte sich aber später, im Zusammenhang mit seinen Beobachtungen im Malort und seinen Forschungsreisen, von dieser Vorstellung. Er entdeckte die Formulation als Ausdruck der organischen Erinnerungen aus der frühen Lebenszeit eines jeden Menschen. Arno Stern erkannte, dass diese Äußerung, die natürliche Spur, nicht der Kunst zuzuordnen ist und nicht für einen Empfänger bestimmt ist. Er sieht sich bei seiner Tätigkeit im Malort als Dienender und nicht als Lehrender. Mit der Einrichtung des Malortes als Raum der Geborgenheit, jenseits des Alltags, schuf Arno Stern die Voraussetzungen, die eine derartige Äußerung, die Formulation, ermöglichen. Zu den hingebungsvoll malenden Kindern gesellten sich bald Erwachsene, auch ehemalige Malort-Kinder, die Freude am Malspiel, dem spontanen schöpferischen Ausdruck jenseits von Bewertung und Begabung, fanden. Es entstanden die für den Malort typischen altersgemischten Gruppen.

In seiner unermüdlichen Tätigkeit als Malort-Dienender, seinem großen Interesse an den Menschen und dem Geschehen im Malort, in der Erforschung der Formulation und der Verbreitung seiner Erkenntnisse sieht Arno Stern seine Berufung.

Arno Stern, dieser besondere Mann mit seiner unglaublichen Zugewandtheit und seinem enormen Einfühlungsvermögen, hinterlässt eine Spur im Gedächtnis, die zwangsläufig immer dann aufscheint, wenn man später wieder einmal Gelegenheit bekommt, Zeichnungen, vor allem Kinderzeichnungen, zu betrachten.

Gerald Hüther

Zur offiziellen Webseite von Arno Stern: www.arnostern.com

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